Grundsituation: Gemeinsame Verwaltung des Nachlasses
Nach einem Erbfall mit mehreren Erben entsteht eine Erbengemeinschaft – das bedeutet: Mehrere Personen müssen gemeinsam das geerbte Vermögen verwalten. Die Gemeinschaft übernimmt dabei die Rechte und Pflichten des Erblassers in Bezug auf das gemeinsame Vermögen. Entscheidungen müssen in der Regel gemeinsam getroffen werden. Damit dies funktioniert, ist Transparenz entscheidend.
Doch in der Praxis sieht es oft anders aus: Ein Miterbe hat Zugriff auf Unterlagen, Wohnräume oder Konten, während andere außen vor bleiben. Dann stellt sich schnell die Frage: „Habe ich einen gesetzlichen Anspruch auf Auskunft?“
Gibt es einen Auskunftsanspruch unter Miterben?
Überraschend für viele: Es existiert kein gesetzlich normierter Auskunftsanspruch zwischen den Miterben. Da alle Miterben dieselben Rechte und Pflichten haben, heißt es juristisch: Jeder kann sich selbst die nötigen Informationen beschaffen – theoretisch. Praktisch gestaltet sich das oft schwierig.
Die Lücke in der Praxis
Ein typischer Fall: Ein Miterbe hatte bereits zu Lebzeiten eine Kontovollmacht oder wohnte noch beim Verstorbenen und kommt dadurch viel leichter an Informationen. Wenn dieser Miterbe aber nicht zur Kooperation bereit ist, wird es problematisch für die anderen.
Anspruch gegen Dritte: Der Erbschaftsbesitzer
Es gibt jedoch einen Ansatzpunkt: Ein Auskunftsanspruch besteht gegen sogenannte Erbschaftsbesitzer – also Personen, die Nachlassvermögen in Besitz genommen haben (z. B. durch Wohnungsschlüssel oder Kontozugriff). Nach § 2027 BGB sind diese verpflichtet, über Aufnahme und Bestand des ihnen bekannten Nachlasses Auskunft zu geben.
Gerichte entscheiden hier mitunter sehr streng: Allein ein Wohnungsschlüssel reichte in Einzelfällen aus, um eine umfassende Auskunftspflicht anzunehmen.
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Informationspflichten bei Vollmachten
Hatte ein Miterbe zu Lebzeiten des Erblassers eine notarielle General- oder Handlungsvollmacht, dann greift § 666 BGB – Auskunfts- und Rechenschaftspflicht. Der Bevollmächtigte ist verpflichtet, Rechenschaft darüber abzulegen, was er im Rahmen der Vollmacht unternommen hat.
Pflicht zur Mitwirkung an der Nachlassverwaltung
Ein indirekter Auskunftsanspruch ergibt sich aus der Verpflichtung eines jeden Miterben, an der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses mitzuwirken. In Verbindung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergibt sich daraus unter Umständen die Pflicht, Informationen bereitzustellen – insbesondere dann, wenn ein Miterbe Zugriff auf Unterlagen hat, die die anderen nicht einsehen können.
Was tun, wenn Auskünfte verweigert werden?
Ist keine freiwillige Auskunft zu bekommen, bleibt nur die gerichtliche Geltendmachung – meist in Form einer Klage auf Zustimmung zu Verwaltungsmaßnahmen oder auf Schadensersatz wegen Pflichtverletzung. Im Rahmen dieser Verfahren offenbaren sich dann oft auch die geforderten Informationen.
In schwierigen Konstellationen – etwa bei großen Vermögen oder langjährigen Familienstreitigkeiten – ist es sinnvoll, juristischen Beistand hinzuzuziehen. Gerade dann, wenn emotionale Spannungen eine sachliche gegenseitige Kommunikation erschweren.
Fazit
Ein direkter Auskunftsanspruch unter den Mitgliedern einer Erbengemeinschaft besteht gesetzlich nicht. Dennoch gibt es Wege über andere Vorschriften – insbesondere Auskünfte von Erbschaftsbesitzern oder Bevollmächtigten. Erfolgt keine freiwillige Information, kann rechtlicher Druck erforderlich werden. Wenn Sie nicht weiterkommen oder rechtliche Einschätzung brauchen, lohnt sich der rechtzeitige Kontakt zu einem Rechtsanwalt, der ausschließlich Erbrecht macht, um Ihre individuellen Möglichkeiten klären zu lassen.
