Mehrheitsentscheidung in der Erbengemeinschaft – wann braucht es Einstimmigkeit?

Kategorie: Erben & Pflichtteil

In einer Erbengemeinschaft müssen viele Entscheidungen getroffen werden – doch nicht immer ist Einstimmigkeit erforderlich. Dieser Beitrag erklärt, wann eine Mehrheitsentscheidung zulässig ist, wann alle Erben zustimmen müssen und was passiert, wenn Uneinigkeit besteht.

Hände zur Abstimmung erhoben

Grundprinzip: Verwaltung durch alle Erben gemeinsam

Nach Eintritt eines Erbfalls bilden mehrere Erben automatisch eine Erbengemeinschaft. Diese Gemeinschaft verwaltet das Nachlassvermögen gemeinschaftlich. Der gesetzliche Grundsatz lautet: Alle Miterben müssen Verwaltungsmaßnahmen gemeinsam beschließen. Das klingt einfacher, als es oft ist – denn die praktische Umsetzung bringt Konfliktpotenzial mit sich.

Verwaltungsmaßnahmen: Drei Kategorien entscheiden über die Art der Zustimmung

Im Erbrecht unterscheidet man drei Arten von Verwaltungsmaßnahmen, die unterschiedlich zustimmungspflichtig sind:

  • Notwendige Verwaltung: Maßnahmen zur Schadensvermeidung oder Gefahrenabwehr, z. B. wenn ein Wasserrohrbruch droht. Hier darf ein einzelner Erbe allein handeln.
  • Ordnungsgemäße Verwaltung: Übliche, sachgerechte Maßnahmen, die im Interesse aller Miterben sind – z. B. der Verkauf eines Aktiendepots zur Begleichung eines Vermächtnisses. Hier ist eine Mehrheitsentscheidung der Erbquoten ausreichend.
  • Außerordentliche Verwaltung: Maßnahmen von erheblicherwirtschaftlicher Tragweite, etwa der Verkauf einer Immobilie. Diese erfordern Einstimmigkeit.

Diese Einteilung ist bedeutsam, da sie bestimmt, ob ein einzelner Erbe handeln darf, eine Mehrheit genügt oder alle Miterben zustimmen müssen.

Beispiel: Verkauf eines Aktiendepots

Angenommen, es besteht ein Aktiendepot im Nachlass, das verkauft werden soll, um ein Vermächtnis auszuzahlen.  Ein solcher Verkauf gehört in der Regel zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses.. Es genügt daher eine Mehrheitsentscheidung, gemessen an den Erbanteilen. Sind also beispielsweise zwei Erben zu je 50 % beteiligt, müssen beide zustimmen. Da keiner mehr Anteile hat als der andere, gibt es keine Mehrheit. Bei drei Erben mit 40 %, 30 % und 30 % sieht es anders aus. Hier reicht es aus, wenn die beiden Erben mit zusammen 60 % zustimmen. Der Erbe mit 40 % kann den Verkauf dann nicht verhindern.

Was passiert bei Streit oder Blockade?

Ein häufiger Streitpunkt in der Erbengemeinschaft entsteht, wenn ein Erbe sich weigert, an einer ordnungsgemäßen Verwaltungsmaßnahme mitzuwirken. In solchen Fällen besteht unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, die Zustimmung gerichtlich einzuklagen und durch Urteil zu ersetzen, wenn die Maßnahme nachweislich ordnungsgemäß ist und dem Interesse aller Miterben entspricht.

Dennoch ist ein solcher Schritt nur in Ausnahmefällen praktikabel und oft mit erheblichen Kosten und Verzögerungen verbunden. In der Beratung zeigt sich, dass viele Mandanten gar nicht wissen, dass z. B. der Verkauf kurzfristig nötig wäre, um Verpflichtungen wie Vermächtnisse zu erfüllen.

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Gefahr bei eigenmächtigem Handeln

Wer ohne Zustimmung handelt – etwa eigenmächtig Mieterhöhungen durchführt oder Gegenstände aus der Wohnung entnimmt – riskiert rechtliche Konsequenzen oder verliert möglicherweise den Anspruch auf Kostenersatz. Auch wenn Sie meinen, im Interesse aller zu handeln: Ohne Beschluss brauchen Sie bei ordnungsgemäßen Maßnahmen mindestens eine Mehrheitsentscheidung der Erbquoten.

Auch bei familiärem Streit: Regeln beachten

Die Praxis zeigt leider: Sobald Emotionen zwischen Geschwistern oder Familienmitgliedern ins Spiel kommen, werden rationale Entscheidungen in der Erbengemeinschaft oft blockiert. Wer seine gesetzlich festgelegten Mitwirkungsrechte nicht wahrnimmt oder bewusst behindert, verstößt gegen die Pflicht zur gemeinschaftlichen Verwaltung.

Fazit: Ohne rechtliche Klarheit droht Stillstand

Für Sie als Erbe bedeutet das: Machen Sie sich frühzeitig mit den Möglichkeiten und Grenzen von Mehrheitsentscheidungen in der Erbengemeinschaft vertraut. Nicht jede Entscheidung erfordert Einstimmigkeit – aber viele auch mehr als bloßen guten Willen. Sie benötigen Klarheit über Ihre Rechte, Pflichten und Gestaltungsmöglichkeiten.

Wenn Sie unsicher sind, ob eine Maßnahme zustimmungsbedürftig ist, lohnt es sich, sich rechtlich beraten zu lassen. Als Rechtsanwalt für Erbrecht in Schenefeld oder auch in Hamburg stehe ich Ihnen dabei zur Seite.

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